(ae) «Moment, wir haben nur 27 Stimmen, das kann nicht stimmen. Haben wir Enthaltungen?» Dirk Wagner, der zusammen mit Annemarie Ebert den Schülerrat der Oberstufe Zurzach leitet, ist erleichtert, als zwei Schülerinnen die Hand heben. «Jetzt stimmt’s. Sonst hätten wir nochmal abstimmen müssen. So funktioniert Demokratie, da muss sauber abgestimmt und protokolliert werden.»
Schule ist heute, dies zeigt sich in dieser Schülerratssitzung einmal mehr, so viel mehr als Lernen und Wissenserwerb: Sie ist in vielen elementaren Bereichen ein Trainingsfeld für das spätere Leben, und dies gilt auch und insbesondere für die Vorbereitung auf eine aktive Teilnahme in einer Demokratie. Mit der Einführung des neuen Aargauer Lehrplans hat die «Politische Bildung»sogar als eigenes Fach Einzug in die Schulen erhalten. Hier stehen unter anderem die nachhaltige Beschäftigung mit den Gestaltungsmöglichkeiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens und das Engagement für die Gemeinschaft als Themen im Mittelpunkt. Doch die kognitive Auseinandersetzung mit diesen Inhalten ist bei weitem nicht genug. Die Schule ist und war schon lange ein gesellschaftlicher Mikrokosmos: Um demokratische Ideale und Möglichkeiten wirklich zu begreifen und zu erfahren, müssen sie auch gelebt werden.
Schülerrat als Parlament
Ein wichtiges Element des demokratischen Mikrokosmos‘ Schule ist der Schülerrat, ein Gremium aus gewählten Vertreter*innen aller Klassen, welches sich ein Mal im Monat unter der Leitung zweier Lehrpersonen in Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit trifft, um den Austausch zwischen Schülerschaft und Kollegium sowie der Schulleitung zu fördern, Ideen und Anliegen aus den Klassen zu sammeln und, wenn möglich, umzusetzen. Für Verena Brauchli, die als Vertrauenslehrerin den Schülerrat von seinen ersten Anfängen bis vor einem Jahr professionell und mit vollem Einsatz begleitete, standen besonders die Themen Prävention und Kultur im Mittelpunkt: «Für mich war das immer ein Anliegen und somit war es naheliegend, mich da zu engagieren. Die Idee war, die Schülerinnen und Schüler mehr in das Schulleben einzubetten.»
Adriana und Kevin, beide in der 3. Klasse, sind seit der 1. Oberstufe im Schülerrat und haben seit letztem Jahr das Amt als Schülerratspräsidentin und -präsident inne.
Q: Adriana und Kevin, was ist eure Aufgabe im Schülerrat?
Adriana: Ich leite zusammen mit den Lehrpersonen den Schülerrat, führe bei den Sitzungen durchs Programm und leite Abstimmungen. Bei Bedarf können wir auch an den Lehrersitzungen teilnehmen.
Kevin: Wir haben vor allem organisatorische Aufgaben und schauen, dass die Wünsche, die zu uns kommen, auch umgesetzt werden.
Q: Warum braucht man einen Schülerrat aus eurer Sicht überhaupt?
Adriana: Ich finde, man braucht ihn schon, da wir auch schon einiges erreicht haben. Wir haben z.B. den Schülerball wieder eingeführt und planen auch für dieses Jahr wieder einen. Es ist cool zu sehen, wie sich die Klassen engagieren und zusammen für ein besseres Schulklima arbeiten.
Q: Was gefällt euch am Schülerrat? Was war das Beste, was der Schülerrat erreicht hat?
Adriana: Alle Meinungen werden akzeptiert, jede Idee wird erstmal angenommen und in einem späteren Verfahren besprochen. Wir schauen im Schülerrat, ob und wie man Ideen und Wünsche umsetzen kann. Das Beste war die Einführung vom Casual Friday.
Q: Was würdet ihr euch vom Schülerrat noch wünschen?
Kevin: Es wäre schön, wenn wir alle drei Monate eine Sitzung mit dem Lehrerteam hätten. Dann könnten wir dort über das Neueste berichten. Ansonsten ist alles gut aus meiner Sicht.
Q: Wollt ihr noch irgendetwas Wichtiges in eurer Rolle als Schülerratsmitglieder loswerden?
Adriana: Nutzt die Chance, wenn ihr sie habt, und geht in den Schülerrat!
Engagement zahlt sich aus
Dirk Wagner ist seit 2020 als Lehrer im Vorsitz des Schülerrates. Wie Adriana und Kevin sieht auch er natürlich auf der einen Seite die Erfolge in dem, was der Schülerrat bereits konkret erreicht hat – von kleinen Optimierungen im Schulalltag wie einem Pfandsystem beim Besteckverleih in der Mensa bis zu grösseren Eventplanungen. Für ihn seien aber auch auf der anderen Seite die Projekte und Ideen bedeutsam, die in der Umsetzung vielleicht nicht ganz glatt liefen, da die kritische Aufarbeitung und Suche nach neuen Ansätzen für einen weiteren Versuch einen bedeutenden Lernprozess für die beteiligten Jugendlichen darstellten. «Der Schülerrat», so Dirk Wagner «bietet die einmalige Möglichkeit, den Jugendlichen zu zeigen, dass sich politisches Engagement lohnen kann.»
Auch in Diskussionen über Projekte und Ideen, in denen unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen, sieht er einen besonderen Wert. Genau diese stärkten das Argumentationsverhalten der Schüler*innen.
Transparenz und Akzeptanz
Dirk Wagner erzählt aus seiner Sicht über den Schülerrat:
«Hinsichtlich Lernerfolg der Schüler*innen ist die Beziehung zu den Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung. Die Schüler*innen lernen am besten, wenn sie sich wohl fühlen sowie angstfrei und sinnorientiert arbeiten können. Dazu trägt aber auch eine attraktive Lernumgebung bei. Wenn die Jugendlichen bei der Gestaltung eines attraktiven Lern- und Lebensraums über den Klassenrat und Schülerrat miteinbezogen werden können, ist die Hoffnung auf ein gutes Ergebnis natürlich grösser. Insgesamt hoffen wir natürlich auch, dass die Identifikation mit der Schule besser wird, wenn die Schüler verstehen, dass sie von den Lehrern wahr- bzw. ernstgenommen werden, indem sie sich an den Entscheidungsprozessen beteiligen können. Diese breitere Abstützung und die grössere Transparenz der Entscheidungen führen dann hoffentlich auch zu einer grösseren Akzeptanz und zu einem besseren Miteinander. Über die Institutionen Schülerrat und Klassenrat haben wir auch die Möglichkeit, «Politisches Lernen»erlebbar zu machen (Ausschüsse bilden, Argumentieren, Wählen, Abstimmen, …), um so in diesem Bereich eine dringend notwendige Steigerung des Lernerfolgs zu erzielen.
Ganz nach dem Motto: Nicht nur über Demokratie reden, sondern leben!»